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Anzeige? Immer eine Entscheidung der Frau.

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Foto: Jennifer WiesbeckIn Darmstadt können sich Opfer von Vergewaltigungen neuerdings sofort untersuchen lassen, ohne dass die Polizei eingeschaltet wird. Vier Fragen an die Projektkoordinatorinnen Marika Eidmann und Katharina Rohmert von Pro Familia.

 

Warum haben Sie das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ in Darmstadt ins Leben gerufen?

Bevor unser Projekt startete, war es Usus in den Kliniken, die Polizei sofort einzubeziehen, um die Finanzierung zu sichern. Denn die Polizei stellt das Beweis-Sicherungs-Kit und zahlt die Untersuchung – insofern die Patientin Anzeige erstattet. Andernfalls muss sie selbst die Kosten übernehmen. Das Problem: Wenn die Polizei Kenntnis einer solchen Straftat hat, ist sie verpflichtet zu ermitteln – egal, ob das Opfer es möchte oder nicht.

Pro Familia ist Trägerin des Projekts. Was ist Ihr Ziel?

Frauen sollen nach einer Vergewaltigung in jedem Fall eine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen können, ohne vorher die Polizei einschalten zu müssen. Denn sie können die Konsequenzen einer Anzeige oft nicht so schnell erfassen. Vergewaltigung ist eine traumatische Erfahrung und hat oft eine Schockreaktion zur Folge. Die Betroffenen brauchen Zeit und eventuell auch fachliche Beratung. Häufig ist erst nach Tagen oder Wochen eine selbstbestimmte Entscheidung möglich. Wenn über den Kopf einer Frau hinweg entschieden wird, verstärkt das die Erfahrung von Ohnmacht und Ausgeliefertsein und erschwert es, die erlittenen Gewalterfahrung zu bewältigen. Deshalb sollte es auch später noch möglich sein, über eine Anzeige zu entscheiden.

Das ermöglicht Ihr Projekt?

Genau. Betroffene sollten sich an das Städtische Klinikum Darmstadt, Gynäkologische Ambulanz, wenden. Nachts und am Wochenende an die zentrale Notaufnahme im Klinikum. Das Projekt ist ursprünglich vom Frauennotruf Frankfurt ins Leben gerufen worden, das Konzept wurde dort erarbeitet und weitergegeben. Deshalb gibt es auch in Frankfurt, Gießen, Offenbach, Waldeck-Frankenberg, Wiesbaden, Hanau und im Wetteraukreis die Möglichkeit sich behandeln zu lassen, ohne die Polizei einschalten zu müssen.

Anzeigen wegen Vergewaltigung führen meist nicht zur Verurteilung des Täters. Was müsste gegeben sein, damit sich dies ändert?

Die gerichtsverwertbare Beweismittelsicherung und Dokumentation schnell nach der Tat. Im Projekt werben wir deshalb dafür, bei der Erstversorgung Spuren zu sichern. Im Oktober 2016 hat der Bundestag zudem eine Reform des Sexualstrafrechts verabschiedet – mit dem Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung besser zu schützen als bisher. Wir haben die Hoffnung, dass sich dadurch einiges ändert.

 

 

Marika Eidmann ist langjährige, erfahrene Mitarbeiterin im Frauennotruf von Pro Familia. Sie ist ausgebildet als Traumatherapeutin, Systemisch-Integrative Therapeutin, Sexualtherapeutin und Supervisorin. Katharina Rohmert ist Ärztin, Psychoanalytische Beraterin und Sexualmedizinerin.

„Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ in Darmstadt und dem Landkreis Darmstadt-Dieburg ist eine Initiative von der Wissenschaftsstadt Darmstadt, dem Landkreis Darmstadt-Dieburg, pro familia Darmstadt und dem Netzwerk Gewaltschutz Darmstadt und Landkreis Darmstadt-Dieburg. Ein wichtiger Projektpartner ist das Klinikum Darmstadt.

Pro Familia unterstützt und berät außerdem Frauen im Rahmen des Frauennotrufes nach Erfahrungen sexualisierter Gewalt. E-Mail: notruf.darmstadt@profamilia.de, Telefon: 06151 45511

Weitere wichtige Informationen finden Ratsuchende auf www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de

 

Foto: Jennifer Wiesbeck


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